NIS2-Umsetzungsgesetz und Kritis-DachG - was passiert als nächstes?

NIS2-Umsetzungsgesetz und Kritis-DachG - was passiert als nächstes?
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  • Das Nis2-Umsetzungsgesetz und das Kritis-DachG befinden sich in unterschiedlichen Stadien des Gesetzgebungsprozesses
  • Beim Nis2-Umsetzungsgesetz sind keine großen Änderungen mehr zu erwarten, der zukünftige Inhalt des Kritis-DachG ist deutlich schwieriger einzuschätzen
  • Beide Gesetze werden wohl erst im Jahr 2025 verabschiedet

Inzwischen existieren eine Vielzahl von Gesetzesentwürfen sowohl zum NIS2-Umsetzungsgesetz, als auch zum Kritis-DachG. Während zum NIS2-Umsetzungsgesetz bereits der Regierungsentwurf vorliegt, exististieren zum Kritis-DachG weiterhin lediglich verschiedene Versionen des Referentenentwurfs. Da der Bundestag im September aus der parlamentarischen Sommerpause zurückkehrt, stellt sich die Frage wie es im Gesetzgebungsprozess weitergeht.

Dieser Blog-Beitrag ordnet die bisher bekannten Dokumente in das Gesetzgebungsverfahren ein und gibt einen Ausblick auf das weitere Verfahren.

Der Gesetzgebungsprozess im Überblick

Die Einteilung des Gesetzgebungsverfahrens kann unterschiedlich vorgenommen werden. Eine schöne Übersicht bietet der Bundesrat in Form eines Faltblatt, aus dem auszugsweise die folgende Grafik stammt (zur gesamten Grafik und weiteren Erläuterungen siehe hier).

Gesetzgebungsprozess, Quelle: Bundesrat.de

Die Grundzüge des Gesetzgebungsprozess in Deutschland auf Bundesebene werden im Folgenden als als bekannt vorausgesetzt. Sind einem die Grundzüge nicht bekannt, so können diese auf Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung nachgelesen oder angeschaut werden. Sehr zu empfehlen sind auch die weitergehenden Veröffentlichungen des Bundestags , des Bundesrats und des Bundesinnenministeriums hierzu.

Insbesondere auf die folgenden Teile des Gesetzgebungsverfahrens gehe ich im Folgenden näher ein und zeige die Bezüge zum NIS2-Umsetzungsgesetz und zum Kritis-DachG:

  • Gesetzesinitiative
  • 1. Runde Bundesrat
  • Beratung und Gesetzesbeschluss im Bundestag
  • 2. Runde Bundesrat

Gesetzesinitiative (oder auch: was bisher geschah)

Drei verschiedene Akteure können in Deutschland auf Bundesebene ein Gesetz initieren: Die Bundesregierung, der Bundesrat oder mehrere Mitglieder des Deutschen Bundestages ("Mitte des Bundestages").

Sowohl das NIS2-Umsetzungsgesetz, als auch des Kritis-DachG wurden von der Bundesregierung initiiert um die NIS2-Richtlinie bzw. die CER-Richtlinie umzusetzen. Das die Gesetzesinitiative von der Bundesregierung ausgehen ist der Regelfall innerhalb der Gesetzgebung. Im Folgenden wird nur auf diese Verfahrensart eingegangen.

Die oben wiedergegeben Grafik zeigt nicht, was innerhalb der "Gesetzesinitiative" eigentlich für Arbeiten stattfinden. Vielmehr wird als nächter Schritt schlicht die Weiterleitung des Gesetzesentwurf an den Bundesrat beschrieben (siehe dazu 1. Runde Bundesrat). Allerdings ist gerade dieser Teil des Gesetzgebungsverfahrens von entscheidender Bedeutung dafür, was Inhalt eines Gesetzes wird. Dies gilt insbesondere für die dort getroffenen grundsätzlichen Entscheidungen zum Inhalt des Gesetzes. Das Kritis-DachG befindet sich noch mitten in diesem formal ersten Schritt des Gesetzgebungsverfahrens. Das NIS2-Umsetzungsgesetz befindet sich dagegen bereits in der zweiten Phase des Gesetzgebungsprozesses (1. Runde Bundesrat).

Tatsächlich finden innerhalb des Punktes "Gesetzesinitiative" verschiedene Arbeiten statt, die allerdings deutlich weniger bekannt sind als das offizielle Gesetzgebungsverfahren (hilfreich zum Verständnis ist das "Handbuch zur Vorbereitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften" oder auch in kürzerer Fassung die Ausführungen des Bundesverkehrsministeriums). Wichtig zu verstehen ist, dass die Arbeiten in diesem Punkt des Gesetzgebungsverfahrens überwiegend in den Bundesministerien stattfinden, wobei es immer ein federführendes Ministerium für ein Gesetz gibt. Gleichwohl existiert auch bereits hier eine "politische Rückkoppelung", damit das Gesetz später in Bundestag / Bundesrat auch eine Mehrheit bekommt.

Was also passiert grob im Ministerium? Zunächst werden die großen Linien eines möglichen Gesetzes bestimmt. Teilweise werden hierbei Eckpunkte eines zukünftigten Gesetzes erarbeitet und auch zu öffentlichen Konsoltation gestellt. Dies ist beispielsweise passiert mit den Eckpunkte zum Kritis-DachG aus dem Jahr 2022.

Im Anschluss wird sodann der sogenannten "Referentenentwurf" erarbeitet. Dieser heißt so, weil er von den Referenten (bzw. Referentinnen) der jeweiligen Ministerien geschrieben wird. Hierbei wird zunächst durch das federführende Referat (dies ist die kleinste Untereinheit innerhalb eines Ministeriums) im federführenden Ministerium eine erste Arbeitsfassung des Referentenentwurfs erstellt und hausintern abgestimmt. Im Anschluss wird die Ressortabstimmung vorgenommen, also eine Abstimmung mit den anderen betroffenen Ministerien erzielt. Beteiligt wird bereits jetzt der nationale Normenkontrollrat, die Bundesländer und die kommunalen Spitzenverbände. Der so abgestimmte Entwurf wird als Referentenentwurf veröffenlicht und insbesondere den Verbänden offiziell die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Es folgt häufig eine mündliche Anhörung. Beides ist sowohl für das NIS2-Umsetzungsgesetz, als auch das Kritis-DachG erfolgt.

Auf Grund der Rückmeldung im Rahmen der Beteiligungsmöglichkeiten wird der Referentenentwurf im federführenden Ministerium ggf. angepasst und eine Schlussabstimmung mit mit den beteiligten sonstigen Ressorts vorgenommen. Über diesen so weiter abgestimmten Gesetztesentwurf wird sodann ein Kabinettsbeschluss eingeholt. Das Bundeskabinett (also die Bundesregierung in Form aller Bundesminister und -minsterinnen sowie des Bundeskanzler bzw- kanzlerin) beschließt (meist Mittwochs) in der Kabinettssitzung über die Kabinettsvorlage. Wird der Gesetzesentwurf angenommen, so wird dieser zukünftig als "Regierungsentwurf" bezeichnet. Das NIS2-Umsetzungsgesetz liegt als Regierungsentwurf vor, über das Kritis-DachG hat dagegen das Kabinett noch nicht entschieden.

Dieser so vorgesehen Gesetzgebungsprozess wird jedoch inzwischen häufig durchbrochen. Sowohl beim NIS2-Umsetzungsgesetz als auch im Rahmen des Kritis-DachG sind verschiedene Versionen des Referentenetwurfs offiziell und inoffiziell bekannt geworden. Die Ministrien äußern sich meist nicht zu den inoffiziellen Entwürfen, sind aber teilweise trotzdem an einer Einschätzung der Verbände etc. zu diesen Entwürfen interessiert. In Bezug auf das Kritis-DachG ist nach dem offiziellen Referentenentwurf (Dezember 2023) und der Verbändeanhörung ein weiterer Referententenentwurf bekannt geworden (Stand wohl April 2024). Es ist allerdings zu vermuten, dass dieser noch weiter verändert wird (bzw. schon wurde), bis er als Kabinettsvorlage vorgelegt und als Regierungsentwurf beschlossen wird. Bisher ist ein entsprechende Kabinettsbefassung für den 18. September 2024 angedacht. Ob dieser Termin gehalten wird, ist aber ungewiss.

1. Runde Bundesrat

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Gesetzesinitiativen der Bundesregierung gehen zunächst an den Bundesrat, der innerhalb von sechs Wochen hierzu Stellung nimmt. Der Bundestag wird also bereits in diesem sehr frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses beteiligt, was häufig vergessen wird. Üblicherweise spricht man hierbei von der "1. Runde Bundesrat". Nachdem der Bundesrat seine Stellungnahme an die Bundesregierung gesendet hat, beschließt diese ihre Gegenäußerung und leitet den Regierungsentwurf mit der Stellungnahme des Bundesrats und der Gegenäußerung dem Bundestag zu. Damit geht die Verfahrensherrschaft auf den Bundestag über.

In diesem Stadium befindet sich das NIS2-Umsetzungsgesetz, nachdem es am 24.07.2024 vom Kabinett beschlossen wurde.

Die Stellungnahme des Bundesrats zum NIS2-Umsetzungsgesetz ist bisher nicht bekannt. Diese Stellugnahme ist für keinen Verfahrensbeteiligten bindend. Der Bundesrat kann im 2. Durchgang abweichend abstimmen. Dies ist auch konsequent, da der Regierungsentwurf im Bundestag noch Änderungen erfährt, mit denen sich der Bundesrat erst im Anschluss beschäftigten kann. Die Stellungnahme des Bundesrats ist allerdings insofern relevant, als das der Bundesrat im 2. Durchgang des Bundesrats Einflussmöglichkeiten auf das Gesetz hat. Besonders wichtig ist die Stellungnahme des Bundesrats deshalb in Rahmen von Zustimmungsgesetzen (siehe näher sogleich).

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Beratung und Gesetzesbeschluss im Bundestag

Auch wenn die Vorarbeit in den Ministerien und durch die Bundesregierung von entscheidender Bedeutung für den Inhalt eines Gesetzes sind, so gilt das sogenannte Strucksche Gesetz:

"Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hereingekommen ist."

Im Bundestag gibt es zu einem Gesetzentwurf drei Lesungen im Plenum (eine schöne grafische Darstellung zur Beratung und Gesetzesbeschluss im Bundestag findet sich hier). In der ersten Lesung kommt es bei Bedarf zur allgemeinen Aussprache über die Notwendigkeit und die Zielsetzung der Vorlage. Wichtiger ist jedoch, dass in der ersten Lesung der Gesetzentwurf zur genaueren Prüfung und Bearbeitung an den zuständigen Bundestagsausschuss weitergeleitet wird.

In den Ausschüssen findet findet die eigentliche weitere inhaltliche Arbeit an den Gesetzen statt. Diese sind besetzt mit den Fachpolitikern der Bundestagsfraktionen, die aber teilweise weiter auf das Fachwissen der Ministerien zurückgreifen. Für jedes Gesetz wird ein ein federführender Ausschuss und ggf. weitere mitberatende Ausschüsse bestimmt. Im Falle des NIS2-Umsetzungsgesetzes und des Kritis-DachG wird höchstwahrscheinlich der Innenausschuss der federführende Ausschuss sein. Im Rahmen der Ausschussarbeit findet häufig öffentlichte "Expertenanhörung" statt, deren inhaltlicher Einfluss allerdings meist begrenzt ist. Am Ende steht ein schriftli-
cher Bericht
mit einer Beschlussempfehlung, der dem Plenum zur zweiten Lesung vorgelegt wird. Maßgeblich ist dabei die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses.

In der zweiten Lesung kommt es zur Aussprache über den Entwurf, den Bericht des Ausschusses und dessen Änderungsvorschläge. Meist direkt im Anschluss kommt es zur dritten Lesung mit der Schlussabstimmung über das Gesetz. Abgestimmt wird dabei über den Regierungsentwurf in Form der Ausschlussempfehlung des federführenden Ausschusses. Dies ist wichtig zu wissen, da sich in der Beschlussempfehlung der Ausschüsse nicht nur die Änderungsvorschläge, sondern auch deren Begründung findet (ähnlich wie sich im Regierungsentwurf der Vorschlag zum Gesetz und dessen Gesetzesbegründung findet). Im Regelfall reicht die einfache Mehrheit der Abgeordneten für den Gesetzesbeschluss aus. Wenn die Bundesregierung den Gesetzesentwurf eingebracht hat, wird ein Gesetz an dieser Stelle fast nie scheitern.

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2. Runde Bundesrat

Alle vom Bundestag beschlossenen Gesetze werden dem Bundesrat zugeleitet. Die Mitwirkungsmöglichkeiten des Bundesrates hängen davon ab, ob es sich um ein Zustimmungs- oder Einspruchsgesetz handelt. Das Grundgesetz geht dabei im Grundsatz von einem Einspruchsgesetz aus. Nur wenn es das Grundgesetz explizit feststellt, handelt es sich um ein zustimmungspflichtes Gesetz.

Um zu erkennen, ob es sich (zumindest nach Auffassung der Bundesregierung) um ein Zustimmungs- oder Einspruchgesetz handelt, hilft der Blick in die Eingangsformel des Gesetzes. Sie lautet entweder "Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen" (Zustimmungsgesetz) oder "Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen" (Einspruchsgesetz). Dies zugrundegelegt handelt es sich bei dem NIS2-Umsetzungsgesetz um ein Einspruchsgesetz und bei dem Kritis-DachG um ein Zustimmungsgesetz.

Das Zustimmungsgesetz führt dabei zu einer deutlich stärkeren Position der Bundesländer bzw. des Bundesrats. Denn ohne Zustimmung des Bundesrats ist ein Zustimmungsgesetz gescheitert. Diese Regel führt dazu, dass eine Enthaltung eines Bundeslandes (z.B. weil man sich innerhalb der Regierungskoalittion auf Landesebene nicht einigen kann) faktisch als Nein-Stimme zählt. Denn es wird eben die Zustimmung zum Gesetz nicht erteilt.

Bei Einspruchsgesetzen ist der Einfluss des Bundesrates deutlich geringer als bei bei zustimmungsbedürftigen Gesetzen. Der Bundesrat kann zwar seine abweichende Meinung dadurch zum Ausdruck bringen, dass er Einspruch gegen das Gesetz einlegt. Der Einspruch des Bundesrates kann durch den Bundestag allerdings überstimmt werden. Eine Enthaltung eine Bundeslands bei der Abstimmung im Bundesrat ist faktisch eine Ja-Stimme. Denn es wird eben nicht für einen Einspruch gestimmt.

Bei allen Unwägbarkeiten lässt sich so zumindest festhalten, dass die Bundesländer deutlich mehr Einfluss nehmen können im gesamten Gesetzgebungsverfahren des Kritis-DachG als im Bereich des NIS2-Umsetzungsgesetzes. Dies mag auch der Grund sein, warum das Kritis-DachG inzwischen im Zeitplan hinter dem NIS2-Umsetzungsgesetz hinterherhinkt und noch kein Regierungsentwurf beschlossen wurde. Man möchte wohl nich riskieren ein Gesetz in den Bundestag einzubringen, das die Länder später zu Fall bringen, weil sie es in dieser Form inhaltlich ablehnen.

Ferner lässt sich feststellen, dass das NIS2-Umsetzungsgsetz eher nicht im Rahmen des 2. Durchgangs im Bundesrat endgültig scheitern wird. Denn der Bundestag könnte die Bundesländer hier überstimmen.

Fazit

Die Gesetzgebung zum NIS2-Umsetzungsgsetz und zum Kritis-DachG hängt dem ursprünglichen Zeitplan inzwischen deutlich hinterher. Hierfür gibt es viele Gründe, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll und mir im Einzelnen auch nicht bekannt sind. Es wird im Moment damit gerechnet, dass zumindest das NIS2-Umsetzungsgesetz im Frühjahr 2025 in Kraft treten wird. Ob dies auch für das Kritis-DachG gilt, steht in den Sternen.

Auch wenn formell der Gesetzgebungsprozess bei beiden Gesetzen noch sehr am Anfang steht, wird doch mit dem Regierungsentwurf eine wichtige Hürde genommen. Insbesondere im Rahmen des NIS2-Umsetzungsgesetzes ist nicht damit zu rechnen, dass (von thematischen Einzelaspekten abgesehen) noch grundsätzliche Änderungen im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens im Bundestag erfolgen. Es ist zu hoffen, dass die Bundesregierung es auch bald schafft den Regierungsentwurf zum Kritis-DachG zu beschließen. Insbesondere auf Grund der stärkeren Mitwirkungsrechte der Länder und der vielfach neuen Fragestellungen im Bereich der physischen Sicherheit scheint es ungleich schwieriger für das federführende Innenministerium zu sein einen entsprechenden Kabinettsentwurf vorzulegen. Auch ist dieses Verfahren mit höheren Unsicherheiten verbunden, da der Bundesrat das Gesetz noch immer zum Scheitern bringen kann. Vielleicht sehen wir deshalb noch weitere "inoffzielle" Referentenentwürfe.